DOK.guest Kanada

Land der Freiheit. Land der Widersprüche.

Filmstill aus NO VISIBLE TRAUMA © Lost Time Media


Indigene Kultur und Megacities, Monarchie und Liberalismus. Der Traum von Freiheit, aber auch seine Widersprüche haben Kanada wie kaum ein anderes Land geprägt. Als Zufluchtsort für ganze Generationen von Einwanderern verbindet die noch junge Nation im Norden Amerikas bis heute viel mit Europa. Gleichzeitig ist der Einfluss der USA unübersehbar. Angehörige der First Nations wiederum kämpfen seit Jahrzehnten um eine stärkere Stimme im Land. Heute nennen viele Kanadierinnen und Kanadier die Vielfalt als Herzstück ihrer gemeinsamen Identität. Die inneren Spannungen, die sich aus der wechselhaften Geschichte des Landes ergeben, bestehen jedoch weiter und halten die Gesellschaft in ständiger Bewegung.

Ähnlich divers wie die Kultur Kanadas stellt sich seine Filmlandschaft dar. Entlang der Sprachgrenzen lässt sie sich in zwei große Kinotraditionen aufteilen: eine an den USA orientierte der englischsprachigen Landesteile und eine dokumentarisch geprägte im frankophonen Québec. Mit dem indigenen Kino kommt seit den 90er-Jahren eine ganz eigene, reiche Erzähltradition hinzu. 

Im Rahmen der Gastlandreihe Kanada präsentiert das DOK.fest München 2021 sieben Dokumentarfilme aus und über Kanada, die den Spannungen, den Widersprüchen und der einzigartigen Dynamik des Landes Rechnung tragen: Wir schließen uns Protesten gegen Polizeigewalt in Calgary an, decken sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Kanadas auf und begleiten Ex-Häftlinge auf ihrem langen Weg zurück in die Gesellschaft. Wir erleben den Kampf der First Nations um Anerkennung aus erster Hand, empowern uns mit Feministinnen und träumen die Stadt der Zukunft. Zwei Filme stellen uns schillernde und doch grundverschiedene Frauenpersönlichkeiten im heutigen Kanada vor. In vier der sieben Filme nehmen uns Regisseurinnen mit in ihre kanadische Realität. Anne Thomé

Der Kanada-Fokus ist Teil von Kanadas Kulturprogramm als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2020/21. Er wird unterstützt durch das Canada Council for the Arts, Telefilm Canada und die Regierung von Kanada. Neben der Filmreihe umfasst der Kanada-Fokus eine Delegation kanadischer Filmschaffender beim DOK.forum Marktplatz.

 

 

Die Filme

 

JE M'APPELLE HUMAIN

Kanada 2020, Kim O'Bomsawin, 78 Min.

Wir erleben einen Streifzug durch die kanadische Geschichte in Begleitung von Joséphine Bacon, einer Frau von großem Geist, die ihr Leben der Weitergabe ihres Wissens und dem ihrer Vorfahren gewidmet hat.

 

JUDY VERSUS CAPITALISM

Kanada 2020, Mike Hoolboom, 63 Min.

Die Kanadierin Judy Rebick ist eine feministische Ikone. Sie kämpfte für das Recht auf Abtreibung und gegen den Neoliberalismus. JUDY VS. CAPITALISM erzählt ihre öffentliche und private Biografie – und von Scham, Depression und Missbrauch.

 

KÍMMAPIIYIPITSSINI: THE MEANING OF EMPATHY

Kanada 2021, Elle-Máijá Tailfeathers, 124 Min.

Entwurzelung und ihre toxischen Folgen: Fast jede First-Nation-Familie ist betroffen, hat Verluste zu betrauern. Wer den harten Weg der Abstinenz nicht schafft, fällt durch das Raster. Die Gemeinde der Blackfoot entschließt sich, der Drogenspirale auf ihre eigene Weise zu begegnen...

 

LES LIBRES

Kanada 2020, Nicolas Lévesque, 94 Min.

In einer Holzverarbeitungsfabrik in Québec werden Straftäter.innen in den letzten Monaten ihrer Haftzeit beschäftigt. THE FREE ONES begleitet diese Menschen, die sich von den Problemen der Vergangenheit lösen wollen, um eine Zukunft zu haben.

 

NO VISIBLE TRAUMA

Kanada 2020, Marc Serpa Francoeur, Robinder Uppal, 98 Min.

Inmitten eines weltweiten Aufstands gegen systemischen Rassismus zeigt NO VISIBLE TRAUMA die verheerenden Folgen unkontrollierter Polizeibrutalität. Trotz der relativ niedrigen Kriminalitätsrate hat die Polizei von Calgary in den letzten Jahren mehr Menschen erschossen als Beamte in jeder anderen kanadischen Stadt.

 

THE SILENCE

Kanada 2020, Renée Blanchar, 106 Min.

Warum schweigt man über die schwerwiegendsten Dinge? Bis in die 1980er-Jahre haben katholische Priester in den frankophonen Städten von New Brunswick in Kanada viele kleine Jungen sexuell missbraucht. Die erfahrene Filmemacherin Renée Blanchar hat sich mit Überlebenden getroffen und versucht, die tief verwurzelten Gründe für dieses Schweigen zu entschlüsseln.

 

THERE'S NO PLACE LIKE THIS PLACE, ANYPLACE

Kanada 2020, Lulu Wei, 76 Min.

Als letztes reißen die Bagger das große, bunte Schild mit der Aufschrift „Honest Ed’s“ herunter. Genau wie der legendäre Discounter mussten auch die Bewohner des Blocks weichen, um Platz für ein Neubauprojekt zu machen. Die Geschichte einer verlorenen Gemeinschaft.