DIE ÜBERLEBENDEN
Deutschland 1996 – Regie: Andres Veiel – Originalfassung: Deutsch – Länge: 96 min.
Klassentreffen, Abiturjahrgang 1979: Nach sechzehn Jahren treffen wir uns wieder. Drei fehlen: sie haben sich in den letzten Jahren umgebracht. Kurz nach dem Abitur – 1979. Thilo, mit langen Haaren, rennt einen Hügel hinauf. Er tanzt, springt. Rebellischer Aufbruch. Er will Musiker werden. Thilo kämpft – für seine Musik, für eine andere, gerechtere Welt. Seine Mutter hat Angst, dass sein Name einmal in der Zeitung stehen könnte, im Zusammenhang mit der RAF. Thilo bricht aus, haut mit einem Freund nach Frankreich ab. Sie landen im Knast. Ein Wendepunkt? Thilo will Medizin studieren.
Rudi, der Sohn eines Gemüsehändlers. Am Reck hängt er wie ein nasser Sack. Bei der Tanzstunde kriegt er die Dickste ab. Das Abitur macht er mit Eins Komma Null. Der Vater wünscht sich einen Rechtsanwalt. Rudi gibt das Studium auf, nach zwei Semestern. Er geht nach Schottland, als Assistent an einem College. Es geht ihm so gut wie noch nie. Nach einem Jahr kehrt er nach Stuttgart zurück. Er fühlt sich nicht gut. Drei Wochen später ist er tot.
Tilman. Er hat mit Thilo Musik gemacht, verlässt das Gymansium nach der 11. Klasse, macht eine Schlosserlehre. Dann geht er nach Berlin, um sich dem Bund zu entziehen. Thilo besucht ihn dort. Freunde hat er sonst wenige. Eines Morgens geht er in die Garage, verschließt das Tor. Er lässt den Motor an. Als Tilman stirbt, geht Thilo zur Polizei, zeigt sich selbst an. Aber niemand glaubt ihm. Zwei Jahre später geht auch Thilo in eine Garage.
Das Porträt einer Generation, die offensichtlich durch den Rost der Geschichte gefallen ist.
Aus: Internationales Forum des jungen Films, Berlin 1996/4, zitiert nach Katalog 11. Internationales Dokumentarfilmfestival München 1996
Riskante Nähe
Begegnung mit dem Regisseur Andres Veiel
Verglichen mit dem spektakulären Erzählkino führt der Dokumentarfilm ein Schattendasein. Hin und wieder aber schlägt seine große Stunde: Wenn es ihm gelingt, brisante gesellschaftliche Themen packend zu verhandeln. Andres Veiel demonstriert das in seinen Filmen auf exemplarische Weise. Er stellt sich Themen, die Wunden der Gesellschaft markieren: Holocaust, Terrorismus, Selbstmord, Jugend-Gewalt, und er stellt sich ihnen mit dem Wagnis riskanter Nähe. Wie kann man das Vertrauen der Menschen gewinnen, ohne es zu missbrauchen? Wie kann man der Wahrheit nachfragen, ohne zu verletzen? Ein schwieriger Balance-Akt. Ihn zu wagen bezeichnet das Gelingen von Veiels Filmen.
Andres Veiel, 1959 in Stuttgart geboren, studierte zuerst Psychologie, absolvierte dann eine Regie- und Dramaturgieausbildung am Künstlerhaus Bethanien und wandte sich der Theater-und Filmarbeit zu. Bislang drehte er sechs dokumentarische Kinofilme. Sein berühmtester: Black Box BRD, thematisierte den RAF-Terrorismus und erwies sich mit über 100.000 Zuschauern als phänomenaler Erfolg.
1996 entstand der Dokumentarfilm, den wir sehen und diskutieren werden: Die Überlebenden. Veiels persönlichster Film erkundet das Schicksal von drei ehemaligen Klassenkameraden, die sich nach dem Abitur das Leben nahmen.
Ein schmales, aber äußerst gewichtiges Oeuvre. Sechs Filme, die höchste Anerkennung und Resonanz fanden, und Andres Veiel zum namhaftesten deutschen Dokumentaristen machten. Für seine Arbeiten – zu denen auch Theaterstücke, Drehbücher und Sachbücher zählen – erhielt er mehr als 30 Auszeichnungen, darunter den Deutschen Filmpreis in Gold, den Europäischen Filmpreis, den Preis der deutschen Filmkritik.
Rainer Gansera
Veranstalter: Katholische Akademie in Bayern in Zusammenarbeit mit dem DOK.FEST 2009
Freitag, 8. Mai 2009, 18.00 Uhr
Kardinal-Wendel-Haus, Mandlstraße 23, München
Mitwirkende auf dem Podium:
Andres Veiel, Regisseur
Rainer Gansera, Filmkritiker
Dr. Armin Riedel (Moderation)
Teilnahmegebühr: € 13,- (erm. für Studierende/Schüler € 6,50)
Nähere Informationen und Anmeldung:
Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
Tel. 089/381020, info@kath-akademie-bayern.de, www.kath-akademie-bayern.de
Regie Andres VEIEL, geb. 1959 in Stuttgart. Studium der Psychologie in Berlin, Regieausbildung u.a. bei Krzystztof Kieslowski. Filmemacher, Autor und Drfamaturg seit 1982. Lehraufträge an Filmhochschulen und Universitäten. Vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Europäischen Dokumentarfilmpreis und dem Deutschen Filmpreis. Mehrfacher Preisträger auch beim DOK.FEST München.
Filme (Auswahl) 1993 Balagan (DOK.FEST), 1996 Die Überlebenden (DOK.FEST), 2001 Black Box BRD, 2003 Die Spielwütigen (DOK.FEST 2004)), 2006 Der Kick (DOK.FEST 2006)
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Englischer/Originaltitel: The Survivors. Kamera: Lutz Reitemeier. Ton: Paul Oberle. Schnitt: Bernd Euscher. Produktion: Journal Film. Produzent*in: Klaus Volkenborn. Weitere Produzent*innen: ZDF.