Retrospektive

Der lange Schatten Francos – Vom Erzählen unerzählter Vergangenheit

FRANCO'S PROMISE, 2014, Marc Weymuller © Association Le Tempestaire

 

Eine Woge der Erinnerung hat Spanien erfasst – Erinnerung an einen Krieg, in dem Verbrechen von außerordentlicher Brutalität begangen wurden. Das Land ist übersät mit anonymen Massengräbern. Sie stammen aus der Zeit des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur, die daraus hervorging. Über deren Verbrechen und die Existenz der Gräber wurde mit dem „Pakt des Vergessens“ nach Francisco Francos Tod im Jahr 1975 der Mantel des Schweigens ausgebreitet, um den Übergangsprozess in die Demokratie nicht zu gefährden.

Erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Erinnerung allmählich wieder an die Oberfläche gespült. Es entwickelte sich eine Welle des kollektiven Rückbesinnens, die inzwischen weite Teile der Gesellschaft erfasst hat und die die gewaltige Wirkungsmacht der Vergangenheit erfahrbar macht: Während sich zivile Organisationen um Aufarbeitung bemühen, sammelt sich die extreme Rechte in der Vox-Partei und glorifiziert Franco unverhohlen. 

Die sechs Filme der Retrospektive sind Zeugnisse eines Traumas, das prägender Teil der spanischen Identität geworden ist. Sie suchen Wahrheit in einer Welt von verdrängten Erinnerungen und unerzählter Vergangenheit und geben Aufschluss darüber, wie sehr die unbewältigte Geschichte die demokratische Gegenwart in Spanien belastet. Pablo Bücheler

 

Die Filme

EL AÑO DEL DESCUBRIMIENTO
Spanien/Schweiz 2020, Luis López Carrasco, 200 Min., OmeU

Spanien, 1992 – das Jahr der Superlative. Noch keine 10 Jahre in der EU und schon die große Sause: Olympiade in Barcelona, Expo in Sevilla und die 500-Jahr-Feier seit der „Entdeckung“ Amerikas. In Cartagena jedoch wird der industrielle Wandel im Schatten des Glanzjahres beschlossen, die Stimmung ist explosiv, in der Kneipe lernen wir sie kennen, jene, die „das Volk“ sind.

 

EL DESENCANTO
Spanien 1976, Jaime Chávarri, 97 Min., OmeU

„Scheitern ist der glänzendste aller Siege“, sagt Leopoldo, Poet Maudit und Sohn des Staatsdichters Panero. Dieser war zu Beginn des Bürgerkriegs noch ein Linker, am Ende ein Rechter. Sie sprechen hastig und viel, die drei Söhne und die schöne Mutter: eine gebildete und völlig dysfunktionale Familie – Fassade und Abgrund – Spanien in der Übergangszeit.

 

FRANCO ON TRIAL: THE SPANISH NUREMBERG
Spanien/Deutschland 2018, Lucía Palacios und Dietmar Post, 101 Min., OmeU

Als "Argentinische Anklage" wurde der Prozess bekannt, in dem 2010 eine Richterin aus Buenos Aires mehrere internationale Haftbefehle gegen zum Teil hochrangige Vertreter der Franco-Diktatur erließ. Ein Novum – durch den “Pakt des Vergessens” blieben bisher alle Täter auf freiem Fuß. Der Film begleitet die Bestrebungen, diese endlich zur Rechenschaft zu ziehen.

 

FRANCO´S PROMISE
Frankreich/Spanien 2014, Marc Weymuller, 123 Min., OmeU

Hart umkämpft war Belchite im Bürgerkrieg und Franco versprach höchstpersönlich, „eine schöne und weitläufige neue Stadt zu bauen, als Belohnung für noch nie gesehenes Heldentum.“ Das alte Belchite hätte wieder aufgebaut werden können – so kaputt war es nicht. Doch es ging um etwas anderes: die Ausradierung von Realität – das Ergebnis: Amnesie.

 

MORIR EN MADRID
Spanien 1963, Frédéric Rossif, 85 Min., OmeU

Am Vorabend des zweiten Weltkriegs entwickelt sich in Spanien aus einem faschistischen Putsch ein totalitärer Kampf der Ideologien. Mit Archivbildern, die sich Regisseur Rossif durch einen Trick von den Zensurbehörden des Franco-Regimes erschlich, entwirft MORIR EN MADRID eine umfassende Chronik einer großen Tragödie des 20. Jahrhunderts.

 

PICO REJA. LA VERDAD QUE LA TIERRA ESCONDE. 
Spanien 2021, Remedios Malvárez und Arturo Andújar, 92 Min., OmeU

Die verpasste Suche nach den Opfern des Franco-Regimes gehört zu den dunkelsten Kapiteln der jüngeren spanischen Geschichte. Auch das Massengrab Pico Reja in Sevilla blieb bis ins Jahr 2020 geschlossen. Die Graböffnung ermutigt Angehörige und Zeitzeug.innen nun dazu, lange verschwiegene Erinnerungen an die Ermordeten auszusprechen.

 

Dieses Projekt wurde durch die Unterstützung von Acción Cultural Española (AC/E) ermöglicht.

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